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In Progress

2. Der Mensch als wahrnehmendes und denkendes Wesen

In Johannes 9 lesen wir die erstaunliche Geschichte eines Mannes, der blind geboren wurde und von Jesus sein Augenlicht erhielt. Haben Sie jemals ĂĽber das eigentliche AusmaĂź dieses Wunders nachgedacht? Da ist jemand, der noch nie etwas gesehen hatte. Keine Signale wurden jemals von der Netzhaut auf der RĂĽckseite seiner Augen zu seinem Gehirn ĂĽbertragen, um die Erfahrung eines Bildes hervorzurufen. Keine visuellen Erinnerungen wurden jemals gebildet. Dieser Mann lebte in einer Welt der Töne und BerĂĽhrungen. Was wĂĽrde er sehen, wenn seine Augen plötzlich zu funktionieren begännen und die neuralen Bahnen lebendig wĂĽrden? Die Antwort ist: nichts. Es sei denn, es gibt ein weiteres, weitaus verblĂĽffenderes Wunder, das sein Gehirn in die Lage versetzt, die plötzlich einströmenden Signale zu ĂĽbersetzen und zu verstehen. Das komplexe, wirbelnde Geflecht aus Farben, Formen und Objekten, die sich durch den Raum bewegen, zu verstehen, die Fähigkeit zur Tiefenwahrnehmung, die Fähigkeit, all dies zu nutzen, um sich zu orientieren, die Fähigkeit, zu identifizieren und zu erkennen, was er sieht – all das braucht normalerweise Jahre, um gelernt zu werden. 

Die Art und Weise, wie wir mit der Welt um uns herum interagieren, ist nicht gegeben, sondern das Ergebnis einer komplexen Interaktion mit unserer Umwelt im Laufe unserer Entwicklung, die unsere Wissensbasis ĂĽber die Welt formt. Der “3-D-Film”, den wir in unserem Bewusstsein erleben, ist durch viele Filter gegangen. In der Psychologie wird dieser Prozess als Wahrnehmung bezeichnet. Die Grundlage fĂĽr die Wahrnehmung ist die Empfindung, der physiologische Prozess, bei dem unsere Sinnesorgane und die zugehörigen Gehirnregionen bestimmte physikalische Reize aus der äuĂźeren Umgebung registrieren und entschlĂĽsseln. Das Endergebnis sind nicht nur Bilder und Töne, sondern eine interpretierte Geschichte – unsere subjektive Erfahrung der Realität. Während die Empfindung geradlinig und ziemlich objektiv ist, wird die Wahrnehmung durch unsere einzigartige Persönlichkeit mit ihren Lernerfahrungen geprägt.

 

Was sehen Sie?

 

                                

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Anwendung:

Der Prozess der Wahrnehmung ist auch der Kern des Glaubens. Glaube oder Unglaube hängt von der Frage ab, wie man gegebene Informationen interpretiert. Biblische Beispiele sind die Bekehrung des Apostels Paulus (Apostelgeschichte 9) oder der Sinneswandel des Apostels Petrus gegenĂĽber heidnischen Gläubigen (Apostelgeschichte 10). Können Sie sich an Beispiele erinnern, wie sich Ihre eigenen Ansichten plötzlich “umgedreht” haben und Sie begannen, denselben Sachverhalt aus einem völlig neuen und anderen Blickwinkel zu betrachten?

In diesem Kapitel werden wir uns mit Prozessen befassen, die an der Wahrnehmung, dem Denken und der Entscheidungsfindung beteiligt sind. Das Ziel ist es nicht, eine umfassende EinfĂĽhrung in diese Bereiche der Psychologie zu geben, sondern einige grundlegende Ideen hervorzuheben.